Jakob Dellago: ein Tausendsassa im Gespräch

Er sitzt vor mir und schaut mich mit großen Augen an. Wir sitzen in einem Café und warten auf unser Getränk. Jakob Dellago, ein Mann der von der Poetry Slam Szene in Südtirol  nicht mehr wegzudenken ist.

Der 25-jährige gebürtige Brixner hat im Sommer 2019 gemeinsam mit seinen Freunden Fritz und Franz Aichner, Markus Flöss, Felix Dorfmann, Lorenz Aichner, Ronnie Hell und einigen mehr das erste Poetryjam Festival organisiert – es war ein voller Erfolg, weshalb heuer bereits die 4. Auflage des Poetryjams vor der Tür steht. Im Interview erzählt er uns, wie er zum Schreiben kam, über seine Liebe zum Film und seine Pläne für die Zukunft.

Viel Spaß!

Max: “Hallo Jakob, schön dich hier zu treffen und danke für dieses Interview. Nun zur ersten Frage: Wie würdest du Jakob Dellago beschreiben, wer ist Jakob Dellago?

J: “Ich würde sagen, ein nicht so ganz verstandener Tausendsassa, der sich in der Kultur bewegt. Der Bequemlichkeit halber sagt er oft, er sei Kulturschaffender, denjenigen, die es genau wissen wollen, sagt er meistens, er bewege sich zwischen Poetryslam, Poetryjam, Schriftstellei, Film und Theater. Wobei er sagen muss, dass er immer mehr in die Filmarbeit eintaucht, da er im Zuge seines Studiums der Theater-, Film- und Medienwissenschaften ein paar Aufträge in Richtung Film und Regie angenommen hat. Manchmal muss er sich erklären, weil nicht jeder genau weiß, was er jetzt macht. Das doch das stört ihn weniger, er weiß es nämlich oft selbst nicht.

Sein Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft ist ziemlich theoretisch aufgebaut und man liest viel über dieses Thema. Andererseits hat er auch viel Freiraum, um eigene kleine Aufträge zu bekommen und sich im Kulturbereich und vor allem als Filmemacher und Regisseur in der Szene einen Namen zu machen. Seit einem Jahr macht er nun kleine Filmaufträge für verschiedene Kunden und Firmen.”

M: “Du machst auch ganz viel mit einem Poetryjam und Poetryslam. Seit wann bist du eigentlich dabei?”

J: “Also mit Poetryslam bin ich nach der Oberschule in Kontakt gekommen. Also nicht ganz nach der Oberschule, ich habe zuerst programmiert. Irgendwie habe ich mich immer für die Schriftstellerei und für das Schreiben im generellen interessiert, aber so richtig mit meinem ersten Text aufgetreten bin ich vor dreieinhalb Jahren im Ost-West Club Meran, der immer sehr coole Poetryslams veranstaltet. Ich bin dort aufgetreten, bekam viel Applaus und so war die Motivation geboren, immer wieder bei solchen Poetryslams mitzumachen und später dann auch selbst welche zu organisieren. Aber dass die Poetryslam-Szene und das Schreiben einen so großen Stellenwert in meinem Leben einnehmen würden, hätte ich mir anfangs nicht träumen lassen.

Aber dieses Poetryslam-Fieber, das hat mich beim ersten Mal gepackt und wenn man es einmal hat, wird man es nicht mehr los. Es verfolgt mich immer wieder und ich nehme von Zeit zu Zeit daran teil oder organisiere selbst Poetryslams. Der Poetryjam ist mit ein paar Freunden vor vier Jahren entstanden und erfreut sich jedes Jahr großer Beliebtheit und das ist schließlich und endlich der schönste Lohn für die nicht kleine Organisationsarbeit. Für alle, die den Unterschied zwischen Poetryslam und Poetryjam noch nicht kennen: Der Unterschied liegt darin, dass man beim Poetryjam im Gegensatz zum Poetryslam singen, sich verkleiden und theatralische Elemente in seine Bühnenshow einbauen darf. Beim Poetryslam wird nur der Text bewertet.”

M: “Du hast dich selbst als Kulturschaffenden bezeichnet und bist in vielen Bereichen tätig, einer davon ist das Theater. Vor zwei Jahren hast du mit deinem Stück “Wired” einen Kulturbeitrag gewonnen, worum geht es in deinem Stück?”

J: “Ja genau, vor zwei Jahren habe ich die Ausschreibung “Astra zero”, eine Ausschreibung des Kulturzentrums Astra in Brixen, gewonnen. Dies hat es mir mit einem Budget von 1000 Euro ermöglicht, mein Stück “Wired” zwei Wochen lang im Astra zu proben, vorzubereiten und dann eine Woche lang zu präsentieren.

Der Andrang bei den Aufführungen war riesig, sehr viele Schulen, vor allem Oberschulen aus dem Raum Brixen, aber auch aus ganz Südtirol, haben sich das Stück angesehen. Das hat mich sehr gefreut und überrascht und ich habe auch sehr viel aus diesem Stück gelernt. Aber zurück zur Frage, worum es in diesem Stück eigentlich geht: Es geht um ein Computerspiel, das versucht, sich in das Leben des jeweiligen Spielers einzuschleichen. Der Spieler muss in seinem realen Leben immer wieder Aufgaben lösen, die ihm das Computerspiel vorgibt. Werden diese Aufgaben gelöst, bekommt der Spieler Punkte.
Am Anfang sind die Aufgaben noch einfach und harmlos, je länger man dieses Spiel spielt, desto brutaler und gefährlicher werden die Aufgaben und ich glaube am Ende, des Buches, das mich zu diesem Stück inspiriert hat, muss die Hauptfigur jemanden umbringen, also zum Mörder werden.

In dem Buch “Eragos”, das ich damals gelesen habe, geht es sehr viel um künstliche Intelligenz und die Gefahren, die sie mit sich bringt. Ich bin kein Gegner von künstlicher Intelligenz, aber mit diesem Stück habe ich versucht, die Schattenseiten aufzuzeigen und generell Auswege oder Lösungen für die Frage: „Wie kann ich aufhören oder wie komme ich raus?“ zu bieten, vor allem in Bezug auf Computerspiele und generell Spielsucht. Mit dem Stück will ich vor allem auf dieses Problem aufmerksam zu machen. Ich habe viel Inspiration und viele Elemente und Teile aus diesem Buch Eragos übernommen, die Story aber doch ein wenig verändert und vor allem einen Bezug zu Südtirol hergestellt. Ich bin sehr stolz auf dieses Projekt, weil es eines meiner ersten Theaterprojekte ist und ich ein super Team von fünf Leuten hinter mir hatte, zwei Schauspielerinnen, einen Bühnenbildner, einen Ton- und Lichttechniker und mich als Regisseur. Wir haben es zwei Wochen lang vor Auftrittsbeginn geprobt und es dann eine Woche lang, oft auch dreimal an einem Tag, aufgeführt. Es war ein voller Erfolg und ich habe ziemlich viel gelernt. Auf Deutsch – wir haben es gerockt und ich bin froh, dass ich diese Erfahrung machen durfte.”

M: “Wo siehst du Jakob Dellago in zehn Jahren?”

J: “Boah, auf jeden Fall irgendwas mit Film, wobei ich nur noch herausfinden muss, was genau bzw. in welche Richtung es gehen soll, aber die Arbeit am Film macht mir sehr viel Spaß. Ich hoffe einfach, dass ich im Prozess bleibe. Das heißt für mich, mit dem Kunden ein Konzept zu erarbeiten und das dann gut umzusetzen. Zurzeit interessiert mich vor allem der Werbefilm, mich interessiert sehr, wie ich in maximal 2 Minuten eine Sache, den Zuseher etwas näher zu bringen und ihn zu einer Aktion zu bewegen kann. Film, Film, so mit längerer Handlung, vor dieser Arbeit habe ich mega Respekt und von den Leuten die Filme machen oder produzieren kann ich sicher viel lernen, irgendwann. Ich schließe nichts aus. Wer weiß, vielleicht drehe ich auch irgendwann einen Film.

Realistisch betrachtet, oder besser gesagt aus meiner jetzigen Situation heraus, denke ich eher, dass meine Zukunft in der Werbefilmbranche liegt und ich damit, dann mein Geld verdienen werde. (Klopft auf Holz) Ein anderes Thema, das meine Zukunft betrifft und mir immer wieder durch den Kopf schwirrt, ist die Familienplanung. Vor ein paar Jahren habe ich mir gedacht, dass ich einmal eine große Familie haben möchte. Wir sind zu viert bei uns zu Hause. Ich dachte mir immer, ich möchte auch vier Kinder haben. Inzwischen denke ich mir: „Mah, alloan isch a gonz chillig.” (Lacht) Aber dieses Thema kann man sowieso nicht planen, es kommt wie es kommt. Ich bin jedenfalls gespannt.”

M: “Poetryslam, nichts mehr? Abgehakt? Vor zwei Jahren hast du noch gesagt du möchtest mehr in die Poetryslam Szene eintauchen und dich dort profilieren?”

J: “Ja, es stimmt, meine Wege oder meine Projekte ändern sich ständig, wer weiß, was ich sagen werde, wenn wir uns in zwei Jahren wiedersehen. Aber ich muss sagen, dass es immer besser geworden ist. Ich habe meinen Neujahrsvorsatz, den ich dieses Jahr gefasst habe, ohne große Abschweifungen umgesetzt. Ich habe mir gesagt, jetzt konzentriere ich mich auf eine wichtige Sache. Das ist für mich im Moment die Arbeit rund um Film und Regie. Alles andere, Poetryslam, Poetryjam, habe ich jetzt ein bisschen zurückgestellt, um mich auf eine Sache besser konzentrieren zu können. Ich habe gelernt: Wenn man auf drei Hochzeiten gleichzeitig tanzt, geht nichts mehr und man wird frustriert. Diesen Umstand will ich mit meinem Vorsatz entgegenwirken. Bisher klappt es sehr gut. Wie gesagt, ich schließe nichts aus und ich kann mir gut vorstellen, auch wieder Workshops zu verschiedenen Themen in Schulen zu geben oder mich für Poetryjam und Poetryslam zu engagieren.”

M: “Wann oder wie wurde deine Freude oder Neugier an einer kulturellen Aktivität oder an Kunst im Allgemeinen geweckt?”

J: “Oh, das ist eine gute Frage, ich bin sicher, dass ich sehr von YouTube beeinflusst wurde, weil ich ziemlich viel auf YouTube war. Als Jugendlicher habe ich außerdem ziemlich viel gezockt und das hat mich auch irgendwie beeinflusst. Ein wichtiger Pfeiler ist sicherlich auch meine Mutter, die Germanistik studiert hat und mir dadurch von klein auf ein gewisses Gefühl für die deutsche Sprache vermittelt hat. Auch bin ich durch ihr immer weiter in die deutsche Literatur abgetaucht. Ansonsten ist es schwierig, die Schule hat mich sicher auch beeinflusst, aber generell war ich einfach interessiert, zu schreiben und die Sprache auszuprobieren.

Meine Eltern sind lustigerweise von den Herangehensweisen und Denkmustern von Grund auf verschieden. Mein Vater ist der genaue, empirische Typ, der gut mit Zahlen umgehen kann und viel organisieren muss. Dadurch denkt er vielleicht ein bisschen rationaler. Meine Mutter ist eher so die Person, die freier und abstrakter denkt. Bei meiner Arbeit als Filmemacher kann ich von beidem profitieren. Einerseits das rationale Denken und die gute Organisation meines Vaters und andererseits das freie, unkonventionelle und abstrakte Denken meiner Mutter. So wie ich zur Zeit arbeite, passen diese Charakterzüge oder Denkmuster meiner Eltern perfekt zusammen. Zum einen, diese abstrakte offene unkonventionelle Art meiner Mutter zu Ideenentwicklung und zum anderen, die rationale Art und das organisatorische Talent, sowie die Machermentalität meines Vaters um die Idee dann umzusetzen oder auf die Bühne oder in die Dramaturgie eines Films zu bringen. Um sie dann effektiv von der Idee bis zur Realität zu begleiten. “Also, danke Mama, danke Tata, i bin glabi di perfekte Mischung von enk zwoa, guat gemocht!” (Lacht)

M: “Du hast ja ein paar Fans oder Follower, was würdest du ihnen gerne noch sagen?”

J: “Chillt ein bisschen. Man kann nichts erzwingen. Ich habe mir auch selbst lange Stress deswegen gemacht. Jetzt langsam komme ich irgendwohin, nimmt die Sache Form an. Hoffentlich bleibt es so. (Klopft auf Holz) Jetzt langsam entwickelt sich die Sache in die richtige Richtung, mit dem dritten Film usw. Deshalb liebe Leute, chillt ein wenig, schaut ein bisschen was euch interessieren könnte, geht mit offenen Augen durch die Welt und macht euch nicht zu viele Sorgen.

Euer Ding wird schon auch noch kommen und wenn es noch ein paar Jahre, dauert dann ist das eben so. Stresst euch nicht so. Es kommt für jeden einmal die Zeit, wo man sein Ding gefunden hat. Ich für meinen Teil, halte mich an Doggi Dorfmann, einen Südtiroler Liedermacher aus Brixen, den man gehört haben sollte. Er ist in vielerlei Hinsicht ein Vorbild für mich und mit Sicherheit einer der größten Chiller die ich kenne. Außerdem schreibt er seit Corona auch ziemlich gute Gedichte, die auf seinem Instagram-Account preisgibt. Give it a try!”

M: “Danke für dieses Interview und viel Glück und Freude mit deinen Projekten und hoffentlich auf bald.”

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